Art & Activism: Warum Klimaschutz emotionale Berührung, Empathie und Mut braucht mit Filmschaffenden Martina Trepczyk

Tigerhaie sind möglicherweise die am meisten missverstandenen Lebewesen auf unserem Planeten, weshalb mein heutiger Gast sie in ihrer Arbeit ins Zentrum stellt. Martina Trepczyk ist Filmschaffende & Künstlerin.

Dabei konzentriert sie sich auf aktivistische Filme & ganz besonders schlägt ihr Herz für den Meeresschutz.

Martina selbst beschreibt ihre Arbeit als Art & Activism, Creation & Conservation, Politics & Poetry.

Art & Activism mit Martina Trepczyk (Portrait by JENN AND THE CAMERA)

Wir sprechen in der Podcastfolge darüber:

  • Was Tigerhaie, Blauwale und Korallen sie gelehrt haben. Wie ihre Hochsensibilität ihre Arbeit informiert

  • Das Stigma rund um Haie

  • Warum der Klimaschutz mehr Geschichten braucht, die emotional berühren statt nur intellektuell stimulieren

  • Warum wir uns auch im DACH-Raum für die Ozeane interessieren sollten & was du für gesündere Ozeane tun kannst

  • Plus: warum es nicht darum geht nie wieder einen Plastikstrohhalm zu benutzen

  • Wie man sich als Aktivistin vor Burnout & die Kampfhaltung bewahrt

  • Über ihren preisgekrönten Kurzflm Tigereyes


Wie hat mit Haien tauchen dich verändert? Was haben sie dir beigebracht?

Tiger sharks taught me how to cry underwater.

Tigerhaie haben mir beigebracht unter Wasser zu weinen. Ich werde ganz emotional, wenn ich an diesen Moment denke. Und der Moment, wo ich zum ersten Mal mit einem Tigerhai unter Wasser war und einfach diese unglaubliche Präsenz und diese Macht gespürt habe und diese fucking Power. Mir kamen die Tränen wie ich diese Kraft gespürt habe von diesem Tier, das 4,5 Meter groß ist und länger auf unserem Planeten existiert und durch die Meere reist, als es Bäume gibt.

Und einfach dieses Tier zu spüren... Haie haben für mich so eine unfassbare Eleganz, aber kämpfen gleichzeitig mit so viel Stigma, so vielen Mythen, so viel Furcht und mass-media made up stories. So einem Tier tatsächlich in die Augen zu blicken, hat mich einfach komplett verändert.

Du bezeichnest dich selbst als hochsensibel. Wie informiert das deine Arbeit?

Ganz lange habe ich meine Hochsensibilität verflucht. Also ich würde mich als extrem empathisch bezeichnen und ich wusste lange nicht wohin damit. Und jetzt mittlerweile sehe ich das als meine absolut größte Superpower. Diese Kapazität zu haben, jemanden so wahrzunehmen, wie er oder sie in der Urform ist, der Seele zu begegnen und die in meiner Arbeit einzufangen. Sei es jetzt Fotografie oder Film, das bedarf einer hohen Form an Empfänglichkeit und Mut zur Verletzlichkeit. Weil indem ich mich so öffne und dir zeige, wer ich bin, erlaube ich dir, dass du dich einfach fallen lässt. Und wenn ich Interviews führe oder wenn ich jemanden einfange und porträtiere, dann geht deren Welt auf.

Martina Trepczyk (Portrait by JENN AND THE CAMERA)

Du vereinst Kunst & Aktivismus in deiner Arbeit. Wie würdest du sie beschreiben?

Portrait by JENN AND THE CAMERA

Showing Fine Art ’Tigers’ and ’Tigereyes II’ from Martina Trepczyk’s Collection ‘In Our Hands'

Art & Activism, Creation & Conservation, Politics & Poetry.

Meiner Meinung nach sind all diese Sachen nicht zwei verschiedene Enden eines Spektrums, sondern ein und dasselbe. In allem was ich tue versuche ich diese Dualität einzufangen.

Wir haben alle Klimafakten schon seit Jahrzehnten. Der IPCC Report kommt pünktlich jedes Jahr wieder raus. Wir wissen, worum es geht, aber es berührt uns nicht. Es berührt uns nicht, weil wir so einen Overflow an intellektueller Stimulation & Information Overload haben.

Die emotionale Berührung fehlt.

Wie ich mich in der Filmakademie beworben habe in London habe ich damals zu meiner Freundin gesagt: “Ich will Filme machen, die meine Oma versteht, ob sie die Sprache spricht oder nicht, weil sie emotional berühren.” Ich will keinen intellektuellen Diskurs auslösen.

Ich bin davon überzeugt, dass wenn dich etwas im Herzen berührt, du viel eher dazu bewegt bist, zu handeln. Weil wenn du diese Verbindung zu Tieren & Natur aufbaust, zu etwas, das du liebst, dann setzt du dich dafür ein, um es zu beschützen und bewahren. Es ist etwas anderes, wenn mein intellektueller Verstand sagt: “Hey es wäre gut, wenn wir Plastik weglassen.” Als wenn mein emotionales Ich sagt: “Hey, Haie bringen mich zum Weinen, ich liebe dieses Tier, ich will nicht, dass dem Tier etwas passiert. Ich setze mich jetzt dafür ein, dass ein EU-weites Haiflossenverbot kommt, dann setze ich mich da jahrelang dahinter.” Und ich glaube, das kommt einfach von einem anderen intrinsischen Beweggrund. Und das ist etwas, woran alle meine Arbeit anknüpft, sei es jetzt Fotografie oder Bewegtbild.

Wir leben in einer Welt, die zubetoniert ist und diese Verbindung zur Natur ist einfach flüchten gegangen. Und wenn man sich bewusst wird, wenn du heute schlafen gehst und die Augen zumachst, zu jedem gegebenen Moment bist du umgeben von Millionen von Heartbeats. Weißt du? Und wenn du in der Natur bist, dann hörst du Vögel und die Grillen und alles. Wenn man das mal zulässt, das zu spüren, dann tut dir das aber auch in der Seele weh, wenn du weißt, dass es noch drei Nationen gibt auf der Welt, die Wale Jagen. Und wenn man weiß, dass ein Wal in seinem Leben mehr CO2 bindet als 160 Bäume vereint. Und ein Wal bis zu 80 Jahre alt werden kann. Und dass jeder zweite Atemzug, den wir nehmen, vom Ozean generiert ist. Und die gesamte Aufmerksamkeit sich aber auf den Amazon fixiert und einfach weltweit gesehen kaum Artenschutz und Klimaschutz und Naturschutz auf den Ozean fällt, dann rückt das viel einfach in eine andere Perspektive.

Martina Trepczyk (Portrait by JENN AND THE CAMERA)

Du bist Klimaaktivistin & fliegst trotzdem regelmäßig um die Welt. Wie rechtfertigst du das?

’Origin' by Martina Trepczyk in Calm Studio Vienna 

Die Fliegerei ist die einzige Kritik, die ich auf Instagram bekomme. Und ich nehme das auch an, aber das Ding ist, die paar Fliege, die ich privat mache, sind ein Tropfen auf dem heißen Stein, im Gegensatz zu was jede einzelne Fast Fashion Bestellung macht.

Wale haben kaum natürliche Feinde. Babys werden von Haien und Orcas gejagt, aber ein ausgewachsener Wal hat kaum natürliche Feinde. Die Haupttodesursache sind Shipwreck-Kollisionen von Frachtern, die unseren Konsum durch die Gegend schiffen und Frachter, die Erdöl herumtransportieren.

Und das sind die Verbindungen, auf die ich aufmerksam mache.

Haie sind an der Spitze der Nahrungskette. Als Apex Predator sind sie aktive Räuber, aber auch opportunistische Aasfresser, Staubsauger, Lymphknoten der Meere - sie sorgen dafür, das alles sauber bleibt. Wenn Haie anwesend sind, geht es diesem Ökosystem gut. Du solltest dich fürchten, wenn du ins Wasser gehst & keine Haie da sind, dann ist dieses Gebiet tot.

Die Balance der Ökosysteme zu verstehen bedarf einfach mehr Zuneigung. Und dieses Plakative der Amazonas brennt, die Polarkappen schmelzen, die Korallenriffe sterben, das funktioniert als Marketing Kampagne super gut. Und das ist auch tragisch und Polarkappen schmelzen vier bis sechs Mal schneller weg, als wir gedacht haben. Aber es wurden letztes Jahr auch erst Korallenriffe auf 70 Meter Tiefe gefunden von denen keiner wusste.

Wir wissen mehr über den Mond und das Weltall als über unsere Ozeane.

Deine letzte Ausstellung trug den Titel “In Our Hands”. Was bedeutet das für dich?

Portrait by Kyle Roepke

Es ist so simpel, aber das vereint für mich, wie viel Macht und Kraft eigentlich in uns liegt. Es gibt viele, die sich zurücklehnen und sagen bei dem System, Lobby, Politik, da kann ich nichts ausrichten. Aber ein Reiskorn kann die Waage kippen. Und es gibt ein Zitat von einer Freundin Africa Brooke, das mich immer wieder umhaut, und sie sagt: “Whatever you are not changing, you are choosing.”

Und statt dass ich mich die ganze Zeit nur beschwere darüber was nicht alles schief läuft, schaue ich wie ich bei mir anfangen kann. Wie kann ich eine Verbindung zum Meer aufbauen?

Es geht nicht darum nie wieder einen Plastikstrohhalm zu benutzen. No one cares. Plastik ist nicht das größte Problem unserer Meere. Das funktioniert als plakative Marketingkampagne super gut. Aber das größte Problem ist die kommerzielle Überfischung.

Warum sollten auch wir im DACH-Raum uns für die Ozeane interessieren? Und was kann man deiner Meinung nach tun für gesündere Ozeane?

Die zehn größten Flüsse der Welt transportieren 80 Prozent des gesamten Plastikmülls. Wien oder wo auch immer du diesen Podcast hörst, der nächste Fluss in deiner Nähe, ist oft der wirkliche Ausgangsort für Müll und Unreinheiten, die zum Meer finden.

Und wir haben in Österreich einer der wasserreichsten Nationen der Welt. Wir haben eines der saubersten Trinkwasser Qualität der EU und der Welt. Das nimmt man für selbstverständlich, aber wir haben einen wahnsinnigen Reichtum vor der Haustür. Und ein Ding, das man machen kann ist, wieder regionalen Fisch zu essen – statt Lachs und Thunfisch. Wir haben in Österreich sogar nachhaltige Salzwasser-Biozuchtstationen.

Es gibt auch so viele andere wundervolle Meeresprodukte, zum Beispiel sind Muscheln unglaublich gut für das Meer. Sie vermehren sich innerhalb kürzester Zeit von allein & filtern das Wasser. Und Algen sind mit der größte O2-Spender der Welt. Das sind Meeresprodukte, die man mit gutem Gewissen essen kann.

Plus es hilft eine emotionale Verbindung zum Meer & seinen Bewohnern aufzubauen. Weil indem ich Empathie für diese Lebewesen empfinde, treffe ich andere Entscheidungen. Es fängt damit an, wen ich wähle, jeden Tag. Ich gehe nicht nur einmal im Jahr wählen. Sondern ich gebe jeden Tag gebe meine Stimme ab. Und das ist für mich nicht paralysierend sondern unglaublich ermächtigend. Wie ich in Wien lebe, hat Einfluss darauf, wie es auf der anderen Seite der Welt aussieht.

“Wir wissen mehr über den Mond und das Weltall als über unsere Ozeane.” – Martina Trepczyk (Portrait by Kyle Roepke)

Als Aktivist:in brennt man schnell mal auch aus.

1. Weil das Thema so überwältigend groß manchmal erscheinen mag &

2. weil man ja doch noch seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Wie bewahrst du dir die Kapazität zum Kämpfen, wenn einem das Leben mal wieder “reinscheisst”? Hast du allgemein Tipps für Aktivist:innen wie man sich vor Burnout bewahrt?

Tatsächlich bin ich schon öfters in so eine Art Burnout geschlittert. Ich denke wir verwenden das Wort schon sehr salopp. Wir sind beide sehr leidenschaftlich in dem was wir tun. Ich denke, dass Selbstständigkeit an sich nicht einfach ist. Ich denke, dass Kunst an sich nicht einfach ist. Dass die kreative Branche an sich nicht einfach ist. Dass Artenschutz, Naturschutz nicht einfach ist. Und wenn man noch Migrationshintergrund hat und eine Frau ist, wow. Ich habe mir keinen leichten Weg ausgesucht, aber das ist der Weg, den ich gehe. Das, was ich tue, ist so tief in mir verwurzelt, dass ob ich dafür bezahlt werde oder nicht, ich mache das. Das ist aber auch, was es so schwer macht, weil ich davon nie heimgehe.

Und die einzige Antwort, die ich da drauf geben kann, ist choose your battles. Ich weiß, dass es nicht mein Weg ist, mich für die LGBTQ+ Szene einzusetzen. Ich weiß, dass es nicht mein Weg ist, das Bildungssystem zu verbessern. Ich weiß, dass es nicht mein Weg ist, dass ich die österreichische Forstwirtschaft umkrempel. Ich weiß, was mein Weg ist. Und das heißt nicht, dass ich die anderen Dinge nicht unterstütze oder Ideen dazu habe, aber pick your battles.

Und choose joy. Das was ich mache, mache ich mit vollem Herzen.

Magst du uns etwas über deinen Film Tigereyes erzählen?

Tiger Eyes ist ein Kurzfilm, der all diese Punkte, über die wir gesprochen haben, verbindet. Als ich Hamty auf den Malediven kennengelernt habe, habe ich sofort gesehen, wie der Film aussehen wird. Ich habe sofort die ersten drei Zeilen des Films im Kopf gehabt. Ich habe sofort Bilder gesehen.

Hamna "Hamty" Hussain ist die erste und bislang immer noch einzige muslimische, weibliche Taucherin auf ihrer Insel auf den Malediven, wo ein Großteil der Frauen nicht schwimmen kann. Die Malediven sind eine unglaublich schöne Nation, die sich zusammenstellt aus 1200 Inseln, die wie eine Perlenkette aufgefädelt sind.

Es kommt mit keinem Wort vor: “You gotta protect the ocean.” Mit keinem einzelnen Wort kommt Artenschutz vor. Aber am Ende des Filmes denkst du dir, fuck, ich liebe Haie auf einmal.
— Martina Trepczyk über ihren Kurzfilm Tigereyes

In einem Artikel von The Guardian stand, dass nur 10 Prozent aller Frauen zwischen auf den gesamten Malediven, einem Inselstaat (!!!) schwimmen können. Das ist crazy. Der höchste natürliche Punkt auf der Insel ist nicht höher als fünf Meter über dem Meeresboden. Das heißt Schwimmen ist dort ein Life Skill, weil wir haben einen steigenden Meeresspiegel, immer mehr Überflutungen & Tsunamiwellen. Wenn Frauen können nicht schwimmen können, nimmt ihnen das Überlebensfähigkeiten & auch Zugang zu den zwei größten Einkommensquellen aus der Insel, nämlich der Tourismus und der Fischfang.

Und als ich Hamna aka "Hamty das erste Mal gesehen habe, diese Frau ist einfach so eine Erscheinung, sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung. Diese Frau ist durch die Hölle gegangen & ist trotzdem so gewillt, den Schmerz, den sie erlitten hat, nicht auf andere zu übertragen. Sie ist gerade mal 26 und ist Harassment, Discrimination, Sexism und Racism an einer Tagesordnung ausgesetzt, die du dir nicht vorstellen kannst. Und gleichzeitig führt diese Frau Tauchgänge mit Tgerhaien mit so einer unglaublichen Souveränitä. Wir hatten Tauchgänge, da waren wir umzingelt von 26 Tigerhaien & wir sprechen hier von einer der gefürchtesten Tiere auf dieser Welt.

Die Malediven sind auch so ein armes Land, wo reiche europäische, amerikanische und russische Touristen hinreisen. Und das schaut hinter den Kulissen einfach alles anders aus.

Und wir haben einen Film über ihre Geschichte gedreht. Es ist ein Porträt. Ich kann es keinem Genre betiteln, weil es ist ein Mix aus einem dokumentarischen Porträt. Es hat aber auch Fiction-Einflüsse, weil es einfach sehr dramaturgisch und poetisch inszeniert ist. Es kommt mit keinem Wort vor: “You gotta protect the ocean.” Mit keinem einzelnen Wort kommt Artenschutz vor. Aber am Ende des Filmes denkst du dir, fuck, ich liebe Haie auf einmal.

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