Der Laien-Guide zu floralen Arrangements mit Baby’s Breath (Ep. 23)

Anne Wunderlich (links) & Katherina Luger (rechts) sind mit Baby’s Breath “Schnittblumen & Stadtmenschen” (Fotos: Sabine Reiter)

Katharina Luger ist eigentlich Texterin und Anne Wunderlich arbeitet als Architektin. Nebenbei haben die beiden jedoch vor einem Jahr unter dem Namen Baby’s Breath (dt. Schleierkraut) begonnen florale Installationen zu kreieren. Zusammen stehen sie für “Stadtmenschen & Schnittblumen”.

Wir sprechen über:

  • warum Blumen bei ihnen ruhig etwas Künstliches haben dürfen

  • die Irrationalität von Blumen

  • worauf es beim Blumenkauf zu achten gilt

  • welche Blumen Form & Struktur geben

  • welche Tools sie empfehlen

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Baby’s Breath steht für das surreale, das künstlerische-künstliche Element im Arrangement. Wie Zuckerwatte mit Chili. Der klassische, “schöne” Strauß ist nicht so unser Fall. Wir mögen es gerne ein bisschen wahnwitzig.
— Katharina Luger über den Ethos hinter Baby's Breath

Blumeninstallation mit Anthurie, Melone & Zitronen (Foto: Sabine Reiter)

Wer seid ihr & was macht ihr?

Kathi: Wir sind Baby’s Breath und machen Skulpturen mit Blumen. Wir stehen für das surreale, das künstlerische-künstliche Element im Arrangement. Wie Zuckerwatte mit Chili.

Anne: Und wir sind zwei junge Frauen, die eine Leidenschaft haben und einfach mal machen. 

Wie habt ihr das Blumenbinden für euch entdeckt?

Blumen mochten wir beide schon immer. Dann haben wir bemerkt, dass man damit auch ganz andere Wege gehen kann, nämlich abseits des klassischen, “schönen” Straußes und auch abseits der Wiesenblumen-Ästhetik. Das ist beides nicht unser Fall. Wir mögen es gerne ein bisschen wahnwitzig.

Ich sage diesen Satz nicht: ‘Eine Blume ist immer am schönsten, wie die Natur sie wollte.’ Ikebana zum Beispiel ist ja auch gerade deshalb so reizvoll, weil es eben nicht Pflanzen in ihrem natürlichen Zustand sind, sondern akribisch künstlich arrangiert.
— Katharina Luger

Kathi: Ich sage diesen Satz nicht: ‘Eine Blume ist immer am schönsten, wie die Natur sie wollte.’ Ikebana zum Beispiel ist ja auch gerade deshalb so reizvoll, weil es eben nicht Pflanzen in ihrem natürlichen Zustand sind, sondern akribisch künstlich arrangiert.

Anne: Die Vielfalt an Formen und Farben fand ich an Blumen schon immer faszinierend. Damit skulptural umzugehen, das Material herauszufordern und mit untypischen Elementen zu verbinden, darin liegt der Reiz des ‘Blumenbindens’ für mich. 

Wie kam's, dass ihr Baby's Breath neben euren "richtigen" Jobs gestartet habt?

Wir haben gar nicht lange gewartet, und sind eines Tages einfach um 4:00 in der Früh zum Großmarkt gefahren, in ein neues Universum, ohne Ahnung aber mit viel Leidenschaft. Wir haben herum probiert und das Ergebnis in unsere Stamm-Bar gestellt. Dann hat es sich ergeben, dass wir im Laden einer Freundin ausstellen durften, und so geht es langsam dahin.

Warum Blumen? Was ist für euch die Poesie hinter Blumen?

Auf den ersten Blick mögen diese Kleinigkeiten unwichtig sein. Auf den Zweiten haben sie eine starke (unbewusste) Wirkung. Wir betreten einen Raum- bekannt oder unbekannt- und entdecken einen Strauß Blumen. Gleich haben wir ein Lächeln auf den Lippen.
— Anne Wunderlich über die Schönheit von Blumen

Kathi: Ich mag die Vergänglichkeit und die Irrationalität von Blumen. Man trennt eine Pflanze von ihrer Wurzel, zahlt viel Geld dafür, und dann ist es nach vier Tagen vielleicht vorbei. Aber während dieser vier Tage hat die Blume mir so viel Freude bereitet, und meinem Gehirn Entspannung, so dass alles einen Sinn hatte. Ich hab einmal in Peking einen alten Mann gesehen, der mit einem großen Pinsel und Wasser Schrift-Zeichen auf den Asphalt gemalt hat, ganz akribisch, und nach kurzer Zeit waren sie wieder verdampft. Das hat mir imponiert. Ähnlich ist das mit Schnittblumen. Grünpflanzen interessieren mich weit weniger.

Arrangiert werden die floralen Skulpturen von Baby’s Breath in einem seperaten Zimmer in Annes Wohnung, das als Atelier der beiden fungiert.

Anne: Das Raumgefühl und die Emotion! Blumen sind die Kirsche auf der Sahne, oder das Tüpfelchen auf dem ‘i’. Auf den ersten Blick mögen diese Kleinigkeiten unwichtig sein. Auf den Zweiten haben sie eine starke (unbewusste) Wirkung. Wir betreten einen Raum- bekannt oder unbekannt- und entdecken einen Strauß Blumen. Gleich haben wir ein Lächeln auf den Lippen, schnuppern an den Blumen und fühlen uns heimelig. Ein starkes Gefühl! Die von Kathi angesprochene Vergänglichkeit der Blumen hat hier auch einen großen Vorteil; ich muss sie immer wieder austauschen und kann sie so der Stimmung anpassen, in der ich mich befinde, oder die ich vermitteln möchte. 

Was ist das Ziel mit Baby's Breath?

Wien eine neue Art von floraler Kunst abseits von klassisch royal und rustikal zu bescheren. Event-Blumen. Für Foto-Shootings, Veranstaltungen oder auch Auslagen. Weniger das klassische Strauß-Binden oder eine Blumenhandlung zu eröffnen.

Wie startet ihr in den Tag? 

Fahren Anne und ich zum Markt, läuft das immer sehr ähnlich ab: wir treffen uns überpünktlich in Dunkelheit mit Kübeln und einer Thermoskanne Kaffee sehr aufgeregt um 4:00 und sind die glücklichsten Menschen. Dann erzählen wir uns, dass wir viel zu spät schlafen gegangen sind.
— Katharina Luger über Großmarktbesuche

Kathi: Wenn wir nicht zum Markt fahren, dann ist es bei mir zu Hause immer ein brummender, sehr choreografierter Start in den Tag, dessen Ziel es ist, ohne Weinen und ohne Schikanen alle aus der Tür zu bekommen. Wir haben eine kleine Tochter. Wenn das erfolgreich passiert ist, schaue ich einmal in den Spiegel. Fahren Anne und ich zum Markt, läuft das immer sehr ähnlich ab: wir treffen uns überpünktlich in Dunkelheit mit Kübeln und einer Thermoskanne Kaffee sehr aufgeregt um 4:00 und sind die glücklichsten Menschen. Dann erzählen wir uns, dass wir viel zu spät schlafen gegangen sind. Am Markt angekommen, ziehen wir unsere Runden. Dort sind alle sehr freundlich. Eine eigene Welt. Gegen 6:00 sind wir fertig, und warten bis endlich der Baumarkt oder ein Kaffeehaus aufsperrt. Der Mann mit dem Hammer kommt an solchen Tagen gegen 14:00 in Form von überfallartiger Müdigkeit. Besser, man hat keine allzu wichtigen Termine am selben Tag. 

Anne: Da kann ich nur zustimmen. Wie ein kleines Kind kann ich meist nicht besonders gut schlafen, weil ich mich so auf das Blumenmeer freue. Da kann es schon passieren, dass ich vor dem Weckerklingeln wach bin. Eine Abnormalität bei mir. Ich bin sonst ein ziemlicher Morgenmuffel und der ‘Noch-5 Minuten-Satz’ ist mein Morgen-Mantra. 

zu Hause selbst eine BlumenSkulptur machen:

Gilt es auf irgend etwas besonderes beim Blumenkauf zu achten?

Ein Arrangement braucht ein störendes Element. Etwas bei dessen Betrachtung man sich fragt, gehört das so, passt das dazu?
— Anne Wunderlich

Kathi: Ich lasse mir nur in zwei Läden in Wien einen Strauß binden, überall anders kaufe ich nur einzelne Blumen und arrangiere sie selber in mehreren Vasen. Hab keine Angst vor Asymmetrie oder vor Blumen aus den Neunzigern: Gerbera, Anthurien, Schleierkraut.

Anne: Manchen Blume sieht man an, dass sie nicht mehr die frischesten sind. Sie lassen bereits die Köpfe hängen, der Stil erscheint nicht mehr fest oder es bilden sich bereits braune Stellen. Die natürlich vermeiden. 

Was darf bei euch in keinem Blumenbouquet fehlen?

Kathi: Anthurien aus Simmering. 

Anne: Ein störendes Element. Etwas bei dessen Betrachtung man sich fragt, gehört das so, passt das dazu?

Kathi: Ja, genau! Kann das Absicht sein? 

Welche Blume macht immer etwas her, wenn ich nur beschränkt Budget habe?

Kathi: Eine Amaryllis. Aber nicht im Topf!

Anne: Da kann ich nur zustimmen. Eine Lilie würde ich noch mit ins Boot nehmen. 

Was gibt es zu beachten, wenn ich die „Basis“ bzw. das Herz des Bouquets erschaffe?

Kathi: Wir gehen eher von Farbschemata aus, welche Farben kontrastieren, was gibt der Raum (oder der Anlass) her, in dem die Skulptur am Ende steht? Ich würde immer auf Foliage, also Blattwerk, Füllwerk, als Basis verzichten. Und zum Beispiel das Füllwerk in Szene setzen. Nur Schleierkraut? Her damit!

Anne: Ja, ich würde auch sagen wir haben nicht das ‘eine’ Herz. Wir arbeiten viel mit Richtungen, Asymmetrien, manchmal mehreren Fokuspunkten. Das Auge soll sich bei uns nicht ausruhen. Es darf immer wieder Neues entdecken.  

Schritt für Schritt zu einer floralen Skulptur:

Kathi gestaltet mit Hilfe eines Steckigels ein Blumenarrangement aus Anthurien und Dahlien in einer simplen Matchaschale. Achtung: Wasser beigeben nicht vergessen!

Welche Blumen eignen sich zum Form & Struktur geben?

Wir suchen immer etwas, was weit hinauf reicht, einen Höhepunkt, und etwas Sonderbares als Störfaktor, also entweder farblich oder von der Textur. Toll sind auch Pflanzen, die man nach unten hin arrangieren kann, Orchideen schaffen das. Die kosten eine Lawine.

Wie setze ich meine Blumen am besten in Szene?

Du kannst zum Beispiel mit einem Steck-Igel arbeiten, das ist ein kleines Tool, mit dem du weit kommst. Da kannst du Blumen hinein stecken und brauchst gar nicht viele oder Besondere für einen Wow-Effekt. Manchmal ist es auch nur die eine Blume in der formschönen Vase. Wir sind bei unseren Blumen zwar grundsätzlich der Meinung ‘more is more’, aber für den Hingucker zu Hause darf es auch gerne mal ein minimaler Akzent sein.  

Gibt es besondere Vasen oder Tools, die ihr empfehlen würdet?  

Für Skulpturen: Wir kämpfen immer mit der Statik. Statik vs. Optik. Wir versuchen auf Steckschwamm zu verzichten (#nofloralfoam) und arbeiten oft mit Hasendraht. Es ist eine Gratwanderung ob die Vase sichtbar oder unsichtbar sein soll. Das perfekte Gefäß haben wir tatsächlich noch nicht gefunden.

Irgendwelche Tipps, wie ich meine Blumen länger haltbar machen kann? 

Kathi: Mit einer scharfen! Blumenschere sauber anschneiden und Wasser wechseln. Ich hab mich damit angefreundet, dass meine Lieblingsblume nur drei, maximal vier Tage hält. Diese Zeit gemeinsam genieße ich. 

Anne: Und wichtig ist auch noch die Blätter im Wasser zu entfernen. Sobald da zuviel rum schwimmt geben die Blumen früher w.o.  

Jeweiliger Lieblingsduft:

Kathi: Oleander.

Anne: Der Duft von frischem Kaffee und Toast am Morgen 

Lieblingszitat zum Thema Blumen:

Anne: Darüber hatte ich mir bis zum heutigen Tag noch keine Gedanken gemacht. Das habe ich jetzt mit einer online Suche nachgeholt und bin auf das Zitat des Japaners Okakura Kakuzō gestoßen: ‘In joy or sadness, flowers are our constant friends.’ Das finde ich schön.  

Kathi: ‘I know you'd like to think your shit don't stink, but lean a little bit closer, see that roses really smell like poo-poo-oo.’

Kathi beim “Flexen” einer Rose.

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